Kongress der Oö. Ordensspitäler: Medizin der Zukunft – zwischen Hightech und Heilkunst
Referenten waren Georges T. Roos „Gesundheit 2036 - Disruptive Zukunft“, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Paul Nawroth „Gebt der Medizin ihren Sinn zurück!“, Yvonne Hofstetter „Digitalisierung - Fortschritt oder Fluch? Reflexionen einer Praktikerin“, Prof. Dr. Alena Buyx „Medizin der Zukunft: Heilvision oder Ethik-Albtraum?“ und Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH „Die Zukunft der Medizin braucht sauberes Wissen.“.
Big Data wird mittelfristig im Gesundheitsbereich Einzug halten und zu einer neuen Gesundheitsrevolution führen (Roos). Multi-Sensor-Daten-Fusion über verschiedenste Geräte, Armbänder, Vitalcheck-T-Shirts, Hauswaagen, implantierte Chips wird permanent eine Unmenge persönlicher Gesundheitsdaten sammeln und analysieren. Diese Auswertung wird durch Maschinen mit künstlicher Intelligenz erfolgen. Der Mensch ist hier weit überfordert, künstliche Intelligenz schlägt menschliche, ist schneller und besser. Mit der Masse der gesammelten Persönlichkeitsdaten werden Einzelprofile erstellt, diese aber haben nichts zu tun mit Personalisation, Menschen werden nicht individuell behandelt, sondern der Mensch wird standardisiert (Hofstetter). Wer Daten hat und die Schlüsseltechnologien dazu, der hat in Zukunft die Macht. Die großen Player im Gesundheitswesen werden daher Apple, Google und Co. sein. Computer werden zukünftig 80% der Funktionen erfüllen, die heute Ärzte erbringen (Roos). Künstliche lernfähige „Gehirne“ werden 800 Millionen A4-Seiten pro Sekunde lesen können. Nur noch sie werden imstande sein, die etwa 8.000 neuen medizinischen Artikel täglich zu überblicken. Doch auch die besten künstlichen Gehirne werden nicht die Multi-Kontextualität eines Menschen „lesen“ können, und es werden falsche Schlüsse abgeleitet. Im Auswerten von Studien werden in der evidenzbasierten Medizin Einfachheit und Sicherheit suggeriert, medizinische Erkenntnis werden vorgegaukelt (Nawroth). Immer mehr Daten müssen nicht zwingend immer mehr Wissen bedeuten. Der Mensch wird letztlich ein Geheimnis bleiben, nicht alles ist messbar, er ist kein Algorithmus, auch psychische Faktoren müssen berücksichtigt werden. Der Glaube, dass nur Laborwerte die gesundheitliche Zukunft vorhersagen können ist tot (Nawroth). Daher muss die sinnorientierte Medizin die Medizin der Zukunft sein. Dort ist der Arzt Helfer, dort kann er sich individuell annehmen um den Leidenden, er muss auch sein Nicht-Wissen zugeben. Dann wird auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wieder verbessert (Nawroth).
(c) Wolfgang Simlinger
Transparenz von Daten muss Ziel sein
Die Welt wird Science Fiction, sie verwandelt sich in einen riesigen Computer, der Mensch ist Teil davon. Wenn Menschen aber nur noch wie Maschinen behandelt werden, werden sie ihrer Menschenwürde beraubt (Hofstetter). Ein weiteres großes Problem ist die Vereinnahmung von gesammelten Daten durch Interessensgruppen. Die Medizinindustrie und Pharmafirmen versuchen das medizinische System zu unterminieren, die Ärzteschaft zu manipulieren, die Verschreibung in bestimmte Richtungen zu beeinflussen, um Blockbuster-Medikamente produzieren zu können. Die Gesundheitsindustrie empfiehlt Menschen oft einen Lebensstil, der nicht hält was er verspricht, der einer Gesundheitsdiktatur gleichkommt (Nawroth). Ärzten und Patienten ist aufgrund des ungeheuren Informationsflusses und der Komplexität objektives Wissensmanagement praktisch unmöglich. Der Arzt kann kein Übersetzer neuer Technologien sein (Gartlehner). Das große Ziel muss also Transparenz im Gesundheitswesen sein, um Ärzten und Patienten sauberes Wissen anbieten zu können. Hier wird ein neuer Berufszweig des „Datenübersetzers“ geschaffen werden müssen. Auch, weil 50% des Wissens aus der Forschung verloren gehen und es nicht in die Praxis schaffen. Schlechte, unobjektive, gesteuerte Gesundheitsinformation führt zu mangelnder Gesundheitskompetenz, etwa zu Über- oder Untertherapie. Gute Information kann gerade in der Prävention viel bewirken. Damit man wegkommt von der Reparaturmedizin zu einer neuen Gesundheitskultur (Roos). Die österreichische Bevölkerung holt sich ihre Gesundheitsauskünfte hauptsächlich vom Arzt und aus dem Internet. Doch nur 11% der Medienberichte dort sind richtig.
Fürsorge im Zentrum
Die gegenwärtige Moral wird die neue Big Data Situation nicht mehr zur Gänze abdecken können. Da gibt es keine Antworten mehr, weil die Fragen so neu und so komplex sind. Big Data hat sehr dunkle Seiten, kann aber auch helfen, die Medizin muss aber immer ein „menschengetriebenes Gewerbe“ bleiben (Buyx). Mehr Daten können bessere Information über sich selbst bedeuten, damit man sich um seinen Gesundheitszustand bemühen kann. Diese Eigenverantwortung darf aber nicht herangezogen werden für Verteilungsungerechtigkeit bei Behandlung oder Medikamenten. Big Data wird bei genügend Daten bei jedem Menschen ein Schuldprofil erstellen können, der eine isst zu viel, der andere zu wenig, der eine sportelt zu viel, der andere bewegt sich zu wenig. Es muss aber auch das Recht auf Nicht-Wissen geben. Big Data zeigt, dass unser Gesundheitsverhalten sehr vielschichtig ist, die Komplexität der Krankheitsentstehung viel differenzierter als bisher angenommen. Die Fürsorge muss wieder ins Zentrum kommen, für junge und alte Menschen gemeinsam (Buyx). Und gerade hier haben Ordensspitäler auch im kommenden Big Data Gesundheitszeitalter ihre große Chance und ihren großen Auftrag gleichermaßen.